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Die Zahlentrickserei des Senates

Der Senat begründet die Notwendigkeit, weitere MUFs zu bauen, indem er ein gewaltiges Defizit an Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete errechnet. Diese Berechnung erweist sich bei näherem Hinsehen als gewaltige Zahlentrickserei, denn der Bedarf wird zu hoch und das Angebot zu niedrig angegeben.

Unterkünfte: Bedarf und Angebot
Gemäß der von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales erstellten Modellrechnung zur Prognose des Unterbringungsbedarfs von wohnungslosen Personen mit und ohne Fluchthintergrund besteht in den kommenden Jahren folgender Unterbringungsbedarf (Vierteljährlicher Bericht zur Flüchtlingsunterbringung):
31.12.2021: 33.966
31.12.2022: 32.327
31.12.2023: 32.774
Dem steht folgendes Platzangebot in vertragsgebundenen Unterkünften des Landesamtes für Flücht­lingsangelegenheiten (LAF) gegenüber (Stand 19.11.2020):
31.12.2021: 24.194
31.12.2022: 24.856
31.12.2023: 25.975
Aus diesen Zahlen würde sich für 2021 auf den ersten Blick ein Defizit an ca. 9.800 Plätzen ergeben.

Zweifelhafte Berechnung des Bedarfes
Bei dem Modell der Bedarfsermittlung werden nicht nur Menschen mit Flüchtlingshintergrund gezählt, sondern auch Wohnungslose und Obdachlose.

„Die Modellrechnung beinhaltet einen Bestand an wohnungslosen Personen mit deutscher Staats­angehörigkeit oder aus EU-Ländern in Höhe von 10.000 Personen. Es wird davon ausgegangen, dass 5.000 dieser Personen in Unterkünften der Bezirke verbleiben können. Im oben genannten Unter­bringungsbedarf sind folglich die weiteren 5.000 Personen ohne Fluchthintergrund enthalten. Diese sind bei der Betrachtung der weiteren Unterbringungsbedarfe für Geflüchtete abzuziehen.“

Selbst der Senat ist sich der Unsicherheit dieser Zahlen bewusst:
„Die Ermittlung valider Zahlen zur tatsächlichen Gesamtzahl der obdach- und wohnungslosen Menschen im Land Berlin ist grundsätzlich nicht möglich, da konkrete Erhebungen durch Behörden nur in Bezug auf die Personen möglich sind, die dort bekannt geworden sind. Der tatsächliche Anteil von Menschen, die auf der Straße leben oder die bei Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten eine vorübergehende Bleibe gefunden haben oder die in prekären Mitwohnverhältnissen leben, lässt sich auch aus organisa­torischen, melde- und datenschutzrechtlichen Gründen nicht erheben.“

Ermittelte Zahl der Obdachlosen
In der Nacht vom 29. auf den 30. Januar 2020 wurden in Berlin insgesamt 1.967 obdachlose Menschen gezählt. Die meisten Obdachlosen wurden in den Einrichtungen der Kältehilfe angetroffen. 807 Personen befanden sich zum Zeitpunkt der Erhebung auf der Straße. In den Bereichen des Öffentlichen Personennahverkehrs hielten sich in der genannten Nacht 158 obdachlose Menschen auf.
Diese Art der Zählung
entspricht dem sozialwissenschaftlichen Standard.

Zweifelhafte Berechnung der vorhandenen Unterkünfte
Bei dem Platzangebot werden nur die vertragsgebundenen Unterkünfte gezählt, die vertragsfreien bleiben unberücksichtigt.

Vertragsgebundene Unterkünfte
Unterkünfte, mit denen das LAF Verträge abgeschlossen hat. Die Belegung wird durch das LAF gesteuert.

Vertragsfreie Unterkünfte
Alle anderen gewerblichen Unterkünfte (Wohnheime, Hostels, Pensionen), die Obdachlose aufnehmen. Diese werden von den Bezirken verwaltet und belegt.
„Insgesamt gibt es im Land Berlin (Stand 2018) ca. 632 vertragsfreie Unterkünfte, worunter auch Hostels und sonstige Beherbergungsstätten zählen. Die vorhandene Datenbasis muss jedoch als unzureichend bewertet werden, da nicht sämtliche Bezirke Daten zuliefern oder in den meisten Bezirken keine statistische Datenerfassung über die genaue Anzahl der belegten Einrichtungen vorgenommen wird.“

Zusammenfassung

  • Der Unterbringungsbedarf wird durch das Einbeziehen von Wohnungslosen ohne Fluchthintergrund vergrößert.
  • Die Schätzung der Anzahl der Obdachlosen beträgt (bis zu) 10.000, die gemessene ca. 2000.
  • Der Unterbringungsbedarf von Wohnungslosen/Obdachlosen ist wesentlich geringer als angegeben.
  • Bei dem Platzangebot werden nur die vertragsgebundenen Unterkünfte aufgeführt, die vertragsfreien fehlen.
  • Das Platzangebot ist deutlich höher als vom Senat angegeben.
  • Die angegebene Differenz zwischen Bedarf und Angebot wird nicht richtig dargestellt.

Fazit
Mit den vorgelegten Zahlen lässt sich ein weiterer Bedarf an MUFs nicht begründen.

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